Die Welt


Andrea Hilgenstock, 13.04.2007


Seltsame Wortverschlingungen

Schon mal von einem "konstantinopelitanischen Dudelsackpfeifenbauer-Gesellen" gehört?
Es gibt ihn wirklich, den rätselhaften Burschen. Als Fantasieprod gezeichnet vom "treuka". Nur halb so verrückt wie der skurrile Begriff, aber doch verrückt genug, alles anders zu machen als andere Künstler, ist dieses Dreigespann: Felix Carl, Annette Stieger und Tamara Trölsch arbeiten zu dritt - an einem Bild. Doch nicht genug. Auch den Titel wissen sie schon, bevor sie sich ins Zeug legen. In ihren Ausstellungen sowie in ihrem Atelier hängt ein Briefkasten, in den Besucher Zettel mit Vorschlägen einwerfen können. Deren originelle Umsetzung erfolgt nach dem Zufallsprinzip. Wie eine Lottokugel wird ein Begriff gezogen und dann geht's los. Ganz ohne Diskussionen, streng nach dem Rotationsprinzip. Wer das letzte Bild vollendet hat, beginnt das neue, ganz auf sich gestellt. Lässt sich was einfallen zur "Baronesse der Galapagosinseln" oder fängt an zu träumen vom "Honeymoon, I don't know what it means in German". "Die Wortverschlingungen werden immer seltsamer", hat Tamara Trölsch festgestellt. Andererseits fischen sie wiederholt verständliche Bild-Wünsche wie "Erotik" oder "Musik" aus ihrer Box. Alles besser als Zahlenaufgaben, die sie jedoch mit ihrer feinen Fantasie und dreifachem Spürsinn zu knacken wissen. "Das ist wie die Lösung eines Rätsels", berichtet die Künstlerin. Am 10. März 1959, was war da noch? Dann wird eine Suchmaschine angeschmissen und selbst der Aufstand in Lhasa (der Tibeter gegen die Chinesen) zum Thema. Den 7. Juli 2005 - Anschlag in der Londoner U-Bahn - zu visualisieren, sei bislang am schwierigsten gewesen. "Wir arbeiten eigentlich nicht politisch", sagt Annette Stieger und bei diesem Datum, das ein Sammler extra bei ihnen in Auftrag gab, ließ sich das Politische eben nicht ausblenden. "Da waren wir nicht ganz so frei wie sonst", meint Carl. Aber die Truppe, die Figuration bevorzugt und doch abstrahiert, bewältigt auch solche Brocken sehr poetisch und assoziativ: "Themen, die konkreter sind, behandeln wir auch frei." Da vergießt Maria surrealen Gründergeist über die Wände im Konferenzsaal der neuen Unternehmensberatung, dass Romulus und Remus neidisch werden (im Auftragswerk "Gründung"), und die "Tanzmäuse, Hip Hop Queen" sehen komplett anders aus, als Klischeevorstellungen vermuten lassen. Stets herrscht das Primat der Linie, reduzierte Farbigkeit, die auch Leerstellen zulässt. Seit 2001 arbeiten die Künstler treu im Terzett. Sie lernten sich an der Freien Kunstschule Berlin kennen. Ein Arbeitsstipendium auf Schloss Nackel (Brandenburg) führte zum ersten Gemeinschaftsprojekt, spielerisch und demokratisch schon damals. Die Vorschläge der Dorfbewohner waren Stichwortgeber. Auch wenn sie anfangs nur tröpfchenweise eintrafen, die märchenhaften Mischtechniken der Treukaner beflügelten in der abschließenden Ausstellung auch die Skeptiker. Es folgten als Diplomarbeit große Wandzeichnungen. Innerhalb einer Woche markierten sie drei Läden in der Berliner Kastanienallee mit ihrer filigranen Duftmarke. Inzwischen stellen sie in New York, Florenz, Freiburg und Zürich aus. Erstaunlich einheitlich wirkt ihre Handschrift. Der luftig-narrative Stil, der zuletzt wieder in der Galerie Blickensdorff gefangen nahm, erscheint wie aus einem Guss. Ihre Persönlichkeiten geben sie dabei nicht auf. Doch ist für alle drei die Komposition oberste Instanz. Ihre gemeinsame Affinität zur Linie erleichtert die Zusammenarbeit. Zwar wagen sie sich auch an Leinwände, aber der Eindruck des Spontanen bleibt erhalten. Warum Zeichnung? Tamara Trölsch findet, "die Fläche ist nicht so interessant." Sie schaut gern genau hin und setzt das Gesehene gleich gegenständlich um. Annette Stieger ergänzt, dass man in der Zeichnung am direktesten und konkretesten eine Idee oder einen Gedanken formulieren könne. Carl, der Schweigsame, lässt die Frauen reden und sagt nur: "Ich bin sehr linear.""Felix", meinen seine Partnerinnen, "macht sowieso, was er will." Erkennbar aus der Reihe tanzt er nicht. Für den Betrachter ist es ein ganz besonderer Spaß, herauszubekommen, wer welchen Part am Bild gehabt haben könnte. Wer sich üben und seinen Blick schulen will, kann auch treuka-Mitglied für ein Jahr werden. Er erhält dann - wie beim Zeitungsabonnement - ein "praktisches Haushaltsgerät", gezeichnet selbstverständlich. "Sichern Sie sich jetzt alle Vorteile", preist ihr Flyer, als da wären: eine Willkommensprämie, Newsletter sowie Jahresgabe. Gegen Gebühr von 50 Euro ein Gewinn und Unterstützung für die Künstler, die hier die Kunst zum Zweck und den Zweck zum künstlerischen Prozess machen. Die Preise reichen von 350 Euro für eine kleine Mischtechnik bis 10 000 Euro für eine große Wandarbeit

Presse & Kommentare

treuka - Die Zukunft der Arbeit ein Text von Meike Jansen, 2007
Unusually traditionalwork(s)Surprise and trust Præsens, 04.2005
Kunsttrio übernimmt ′Anonyme Aufträge′ Die Rheinpfalz, 02.2005
Kommentar von Spunk Seipel Februar 2004
Skandal im Sparbezirk? Badische Zeitung, 05.2003