Galerie Blickensdorff


Meike Jansen, 2007


treuka - Die Zukunft der Arbeit

Einem Bild ist es zunächst nicht anzusehen, wer es geschaffen hat. Im besten Fall erzählt es eine Geschichte, versprüht eine Atmosphäre, die Betrachterinnen und Betrachter darauf bringt, dass es etwas jenseits der konkreten Wahrnehmung gibt, das es zu ergründen lohnt. Bei den Zeichnungen von treuka löst zuerst ein subtiles Zusammenspiel von gezeichneten Figuren und malerischen Flächen, Überlagerungen und prägnanten Leerstellen einen Sog aus, dem man sich nicht entziehen mag. Die Gedanken versinken beim Erforschen und Ergänzen der surrealen Motivlandschaften in skurrile Welten, in denen Heidi mit dem Geißenpeter unter der Überschrift "Gl ück und Reichtum " durch die "Schweizer Alpen " (2004) flaniert oder ein mit Blindenpunkten markiertes Schwein "Love & Peace " (2006) symbolisiert. Die Vielfalt an Stilen, Motiven und die sich immer wieder in den Vordergrund spielende Leere generiert ein lebendiges Miteinander, für das es geheimnisvolle Regeln zu geben scheint. Beschäftigt man sich mit dem Dahinter, entdeckt man, dass es sich bei treuka um eine Gruppe von zwei Zeichnerinnen und einem Zeichner handelt. Felix Carl, Annette Stieger und Tamara Trölsch sind gleichfalls die KonzeptionistInnen von treuka. Seit dem gemeinsamen Studium an der Freien Kunstschule Berlin, entwickeln sie ein Gruppenkonzept, das ihnen und dem Publikum neben rätselhaften Bildern einen spielerischen Zugang zur Reflektion gesellschaftlicher und ökonomischer Verhältnisse bietet. Eines ist grundlegend: Jedes Werk wird gemeinsam erarbeitet. Ob diese Arbeitsweise nun demokratisch oder sozialistisch ist, kann diskutiert werden. Jedenfalls herrscht Gleichberechtigung unter den Dreien. Über die Jahre entwickelten sie für die allt ägliche Arbeit spezielle Strategien, um die man wissen sollte, möchte man sich treuka weiter nähern. Das Rätsel um die Leichtigkeit die von der Gruppe wie den Zeichnungen ausgeht, entspringt beispielsweise einem Kästchen, in dem Besucherinnen und Besucher von treuka Ausstellungen Vorschläge für Bildtitel hinterlassen. Steht für die ZeichnerInnen die nächste Produktionsphase an, wird in das Kästchen gegriffen und sich der Vorschläge bedient. Die Entscheidungsprozesse werden so strukturiert, vereinfacht und die Zusammenarbeit über die eigentliche Gruppe hinaus erweitert, so dass ein Teil der Verantwortung abgegeben wird. Ganz nebenbei werden des weiteren gesellschaftliche Entwicklungen lesbar. Denn selbst wenn die steigende Präsenz treukas im internationalen Kontext ber ücksichtigt wird, lässt sich seit etwa 2005 anhand immer häufiger werdender Titelvorschläge in englischer Sprache, die Verbreitung des McDeutschs nachvollziehen. Statt "Reisekostenpauschale " oder "Unter Druck stehen und sich trotzdem am Leben freuen ", tauchen so immer öfter Titel wie "Wet mice (or) Bavarian Cream Technology " im Werk von treuka auf. Solche Wortgewalt löst aber eher ein L ächeln oder Kopfsch ütteln aus, verzweifelt ist bislang noch keiner der Dreien daran. Im nächsten Schritt wird entschieden, wer mit der Zeichnung beginnt. Fertig ist sie, wenn das Papier, die Leinwand oder das Holz durch die Ateliers gereicht wurde und alle ihre Assoziationen darauf aufgetragen haben. Die individuelle Handschrift bleibt so unzuordbar. Tatsächlich verbergen sich hinter den ZeichnerInnen also KonzeptkünstlerInnen, deren Zeichnungen Produkte einer stetig wachsenden Interessengemeinschaft sind. So liegt man falsch, spricht man nur von drei Gruppenmitgliedern. "Werden Sie Mitglied und genießen Sie ein ganzes Jahr, die Vorteile ihrer treuka-Membership! ", so preist treuka in Werbebrosch üren und auf ihrer Webseite eine Mitgliedschaft gegen eine jährliche Geb ühr von 50 Euro an. Ein gutes Geschäft, eine Win-Win-Situation sozusagen, erfährt der Kern der Gruppe doch eine solidarische Finanzspritze um laufenden Kosten auszugleichen und jedes Member wird reichlich mit Kunst beschenkt. Denn am Anfang winkt eine Willkommenspr ämie: ein elektronisches Haushaltsgerät, selbstverständlich eigenhändig von Felix Carl, Annette Stieger oder Tamara Trölsch auf hölzerne Kacheln gezeichnet und signiert. Da die Drei in der Öffentlichkeit als KünstlerInnengruppe auftreten und die übrigen Werke stets von ihnen gemeinsam signiert sind, werden allein für die Mitglieder die individuellen Handschriften erkennbar. Nach dem Eintritt erhalten die F ördermitglieder jeden dritten Monat einen Newsletter. Jeder dieser Briefe, die per Post und nicht via abstrakter Kabel- und Funkverbindungen zugestellt werden, enth ält eine Rabattmarke. Das sammeln lohnt, elf Coupons können gegen das nächste Haushaltsgerät eingetauscht werden. Vielleicht ein Rasierapparat oder eine Kaffeemaschine gefällig? Das Werben eines neuen Mitgliedes verspricht ein weiteres Gerät. Was darf es diesmal sein? Eine Heckenschere, eine Taschenlampe? So wird die Kunst zum Zweck und der Zweck zum künstlerischen Prozess. Und durch die heimische Küche zieht sich alsbald eine Bilderbordüre. Doch ist das System treuka damit nicht zu Ende erklärt. Das lässt es sich auch nicht, da jede Aufgabe eine Erweiterungen mit sich bringt, nicht zuletzt weil die Gruppe Ausstellungsthemen spezifisch f ür einen Ort entwickelt. Ein willkommener Anlass beispielsweise gesellschaftsökonomische Konzepte zu überdenken und in das eigene einfließen zu lassen. Wie der 2004 entstandene "treuka.trust " verdeutlicht. Hierfür wurden, das Thema der Ausstellungsreihe "Deutsche Bank " aufgreifend, am Vernissagenabend aus einem Schalter mehrmals streng limitierte Aktien an Besucherinnen und Besucher verkauft und Gewinne nach wahllos festgelegten Aktienkursen ausgeschüttet. Für zwei bis vier Euro konnten Promi-, Kunst- oder Immobilien Aktien erstanden und wenig später gegen Zeichnungen mit Prominenten wie Cicciolina, Kunstwerken von Andreas Gursky oder Immobilien wie dem Petersdom getauscht werden. Schnell entstand ein turbulentes Treiben, in dem sich ein Schwarzmarkt entwickelte, auf dem die Zeichnungen gehandelt wurden. Dass "Zeichnungen " in der Kunst wie der Börsenwelt eine Rolle spielen, verdichtet den Blick auf die konzeptionelle Arbeit von treuka und legt ihre spielerische wie kritische Betrachtung von Kunst und Markt offen. Darüber hinaus entstand für diese Ausstellung eine großformatige Wandarbeit. Ein Format, das die Gruppe mit Vergnügen nutzt, um den Raum und dessen NutzerInnen in Dialoge einzubeziehen. Betrachtet man nun noch mal die Zeichnungen wird das Zusammenspiel von Individuum und Kollektiv auch auf grafischer Ebene erkennbar: Die Kompositionen, basierend auf Bedürfnissen, Arbeitsweisen und ästhetischen wie inhaltlichen Vorlieben einzelner, offenbaren den Betrachterinnen und Betrachter nicht die Persönlichkeiten, wohl aber die Interessen einer Gemeinschaft, die bereit ist andere zu integrieren. Und sei es über die Leerstellen in den Zeichnungen, die es zu füllen gilt.

Presse & Kommentare

Seltsame Wortverschlingungen Die Welt, 04.2007
Unusually traditionalwork(s)Surprise and trust Præsens, 04.2005
Kunsttrio übernimmt ′Anonyme Aufträge′ Die Rheinpfalz, 02.2005
Kommentar von Spunk Seipel Februar 2004
Skandal im Sparbezirk? Badische Zeitung, 05.2003